Elektra - Wer ist sie ?

Elektra ist erster Offizier auf dem U-Boot "Nautilus", und damit die Stellvertreterin von Kapitän Nemo. Um sie jedoch wirklich zu verstehen, muß man natürlich etwas weiter ausholen:

Die Vergangenheit

Waise 13 Jahre vor den Ereignissen, die in "Nadia" geschildert werden, gab es im Königreich Thartessos, dessen Bewohner von Atlantis abstammten, einen Staatsstreich. Der Berater des Königs, der sich selbst nun "Gargoyle" nannte, riß den Thron an sich und benannte Thartessos um in "Königreich Neu-Atlantis". Anschließend wollte er mit Hilfe des "Turms von Babel", einem interstellaren Kommunikationsgerät das er zu einer Waffe mit unglaublicher Vernichtungskraft umbaute, die Herrschaft über die ganze Welt erlangen. Der legitime König sabotierte den Turm um dies zu verhindern, mit katastrophalen Resultaten. Thartessos wurde völlig zerstört, fast alle Bewohner kamen ums Leben.

Eine der wenigen Überlebenden war ein neunjähriges Mädchen namens Elektra, das durch die Katastrophe zur Waisen geworden war. Nachdem sie die furchtbare Erfahrung machte, die Leiche ihres Bruders zu finden, hatte sie ihren Lebenswillen verloren und währe wohl auch gestorben wenn sie nicht von einer Gruppe Überlebender aufgenommen worden wäre, deren Anführer sich Nemo nannte.

<rotwerd> Als Elektra älter wurde, verliebte sie sich in Nemo, allerdings war er wohl eher eine Art Vaterfigur. Eines Tages hörte sie zufällig eine Diskussion zwischen Nemo und einigen Freunden mit, in der es um den geplanten Kampf gegen Neu-Atlantis und sie selbst ging, und mußte erfahren daß Nemo für die Zerstörung von Thartessos mitverantwortlich gewesen war.

Elektra beschloß jedoch, bei ihm zu bleiben und mit ihm gegen Gargoyle zu kämpfen. Durch ihren Eifer gelang es ihr, Nemos erster Offizier auf der Nautilus zu werden, dabei behielt sie ihre Gefühle jedoch immer für sich.


Die Gegenwart

In den 39 Folgen von "Fushigi noUmi no Nadia" findet die Geschichte von der Nautilus und Neu-Atlantis ihren Höhepunkt und Abschluß, ebenso wie Elektras Leben (denn Elektra ist ja nur der Name, den sie für den Kampf gegen Neu-Atlantis angenommen hat).

Es ist nichts mehr.

Der emotionale Streß unter dem Elektra wegen ihrer Gefühle für Nemo sowieso schon steht, verschärft sich durch die Anwesenheit von Grandis und besonders Nadia um ein Vielfaches. Trotzdem versucht sie, weiter ihre Rolle als kompetenter erster Offizier zu spielen und sich nichts anmerken zu lassen, was ihr natürlich nicht ganz gelingt. Mindestens einmal ist sie nahe dran, Nemo ihre Gefühle zu gestehen, macht aber im letzten Moment einen Rückzieher. Und ihre Auseinandersetzungen mit Grandis sprechen für sich.

Ob Elektras innerer Konflikt unbemerkt bleibt, ist fraglich, zumindest der alte Maschinist scheint zu ahnen was in ihr vorgeht. Auch Nemo weiß möglicherweise davon, hält es aber für besser, den Status Quo beizubehalten.

Die einzig positive Erfahrung für Elektra während dieser Zeit ist ihre freundschaftliche Beziehung zu Jean. Ansonsten streitet sie sich mit Grandis, übersieht Hanson und versucht, sich Nadia gegenüber fair zu verhalten.

Diese sowieso schon angespannte Situation kollabiert nun vollständig, als die Nautilus in Folge 22 von Gargoyles Luftkampfschiff zerstört wird und damit Elektras Kampf umsonst gewesen zu sein scheint. Verzweifelt versucht sie, ihre Rache doch noch zu bekommen indem sie als letzte Maßnahme vorschlägt, den Reaktor der Nautilus zu sprengen um so Gargoyle mit in den Tod zu reißen. Als jedoch Nemo dies ablehnt, muß sie glauben, er habe ihre Mission wegen seiner Tochter Nadia aufgegeben.

Elektra mit Pistole

Durch den Verlust der zwei Säulen (Nemo und die Rache an Neu-Atlantis), auf die sie ihre ganze Welt aufgebaut hat, zerbricht Elektra psychisch. Sie versucht, Nemo zu töten. Als sie dazu (nachdem er ihr gesagt hat, daß er wegen ihr die Nautilus nicht sprengen wollte) nicht mehr fähig ist, bleibt ihr nur noch der Selbstmord, den sie wahrscheinlich sowieso geplant hatte. Dies wird jedoch von Nemo vereitelt. Als letztes sieht man Elektra als schluchzendes Häufchen Elend am Boden kauern, während die Nautilus unaufhaltsam versinkt...

Da diese Szene für das Verstehen von Elektra-chans Charakter und Motivationen, außerordentlich wichtig ist und wichtige Hintergrundinformationen für die Serie lifert, habe ich davon eine genaue Niederschrift angefertigt.

Als Elektra am Ende der Serie in Episode 37 wieder auftaucht, ist sowohl äußerlich als auch innerlich ein ganz neuer Mensch. Sie hat ihre Frisur verändert, die seltsame uniformartige Kleidung gegen eine enganliegenden, weißen Overall (Verzeihung: "Raumanzug") eingetauscht der, nebenbei gesagt, auch ganz schön sexy ist. Viel wichtiger ist jedoch, daß sie offenbar psychisch wesentlich ausgeglichener ist (Sie lächelt jetzt viel öfter, und reagiert auch nicht mehr so feindselig Grandis gegenüber).

Offenbar war ihr Nervenzusammenbruch eine heilsame Erfahrung, weil sie daszu gezwungen war, sich ausführlich mit sich selbst, ihrer Vergangenheit und ihren Motivationen auseinanderzusetzen. Dazu kommt wohl die Erleichterung darüber, daß sie Nemo endlich von ihren Gefühlen erzählt hat, und anscheinend hat er ihre Liebe auch akzeptiert. Leider sieht man nicht, was in der Zwischenzeit genau passiert ist, so daß man nur Vermutungen anstellen kann.

Jedenfalls ist Elektra immer noch gewillt, den Kampf gegen Neu-Atlantis bis zum bitteren Ende durchzustehen, was sie ja dann auch tut. Überraschend ist allerdings, wie ruhig und gefaßt sie den endgültigen Abschied von Nemo und seinen Tod aufnimmt. Dies spricht eigentlich eher gegen die Annahme, daß sie und Nemo eine gemeinsame Zukunft geplant hatten und sie von ihm schwanger ist. Das Letzte was man von Elektra hört, daß sie sich um die Erziehung ihres Kindes kümmert, ist bei der Auflösung dieses Rätsels auch nicht hilfreich.

Ich sehe drei Möglichkeiten:

  1. Nach Elektras Zusammenbruch wurden sie und Nemo ein Liebespaar, ihr Kind ist von ihm. Gegen diese Theorie spricht ihre gefaßte Reaktion auf seinen Tod. Außerdem betrachtet Nemo Elektra ja eher als Adoptivtochter.
  2. Ihr wurde klar, daß Nemo eher eine Vaterfigur für sie war und sie hat sich in einen anderen Mann verliebt (auf der Nautilus gibt es ja genug, und Zeit hatte sie auch), von dem sie schwanger ist. Dagegen spricht, daß kein anderer Mann gezeigt oder erwähnt wird.
  3. Elektra hatte eine Affäre mit Nemo und wurde sich erst nach einiger Zeit über ihre Gefühle klar, woraufhin sie eine Aussprache mit ihm hatte und sich von ihm trennte. Allerdings scheint mir dies nicht zu Nemo zu passen, da er sich auf eine zu Scheitern verurteilte Beziehung (wodurch Elektra vielleicht noch mehr verletzt worden wäre) kaum eingelassen hätte.

Selbst das LD Extra #9 in dem wir erfahren daß Elektra verheiratet ist, wirft kein neues Licht hierauf, da man nicht wirklich sagen kann mit wem und wann.

Um eine wirkliche Entscheidung zu treffen, weiß man leider zu wenig über die "neue" Elektra. Man sieht nicht genug von ihr, um die zweite Theorie ganz auszuschließen oder einschätzen zu können, ob sie vielleicht wirklich so abgeklärt ist, daß sie den Tod eines Liebespartners so gut verkraften kann. Am wahrscheinlichsten ist wohl trotzdem die dritte Theorie.


Die Zukunft

Was aus Elektra nach dem Ende der Serie wird, bleibt unklar, man weiß nur, daß sie ihr Kind großzieht. Wahrscheinlich wird sie sich wieder "Medina" nennen um so das hinter ihr liegende Kapitel ihres Lebens auch symbolisch zu beenden.

Mit ihrem technischen Wissen könnte sie sicher eine Top-Wissenschaftlerin werden und viel Geld machen, aber ich glaube eher, daß sie sich dagegen entscheidet, denn sie hat auf schlimmstmögliche Weise gelernt, wie gefährlich die hochentwickelte Technologie von Atlantis in falschen Händen sein kann, und ihre Erfahrung ist ja auch hauptsächlich mit Waffensystemen.

Lehrerin

Eine weitere Möglichkeit ist, daß sie Lehrerin wird. Sie hat bewiesen, daß sie mit Kindern gut umgehen kann. Auch wenn sie bei Marie wenig erfolgreich war, glaube ich daß sie auf diesem Gebiet talentiert ist. Außerdem ist dies einer der wenigen Berufe, der Anfang dieses Jahrhunderts für eine junge Frau gesellschaftlich akzeptabel ist. Medina wird zwar nach dem was sie überstanden hat vor einer Herausforderung kaum Angst haben, muß aber andererseits auf ihr Kind Rücksicht nehmen. Im übrigen hat sie ein ruhiges und zufriedenes Leben wirklich verdient.


Die Stimme

Inoue-san

Kikuko Inoue

Einen nicht unbeträchtlichen Anteil an der Lebendigkeit eines Animecharakters hat der Seiyuu. Elektra wird im japanischen Original von Kikuko Inoue gesprochen. Sie wurde am 25. September 1964 in Kanagawa geboren. Sie hat eine Tochter, die im Februar 1998 geboren wurde. Als Seiyuu arbeitet Inoue-san für Ezaki Productions und ist Mitglied folgender Seiyuu-Gruppen: DoCo, Goddess Family Club, Idol Project, Osakana Penguin und Angels. Ausführlichere Information findet sich hier. Übrigens spricht Inoue-san in "Nadia" nicht nur Elektra, sondern auch Ikoriina, die Krankenschwester sowie den Erzähler in den Rückblenden am Anfang jeder Folge. Ich habe auch eine Liste mit den seiyuu zu allen anderen Charakteren in Nadia.

Bell-chan

Belldandy

Sehr interessant wird es, wenn man sich Inoue-sans andere Rollen ansieht. Die bekanntesten sind Belldandy aus "Oh my Goddess!" und Kasumi Tendo aus "Ranma 1/2". Diese beiden Charaktere sind nun nahezu identisch: bildhübsch, immer lächelnd, nie ein böses Wort sagend und perfekte Köchinnen - kurz: Der Traum jeden Mannes. So werden sie von Inoue-san auch gesprochen, nämlich sehr hoch und sanft. Alles in allem kann man sich Elektra-chan mit einer solchen Stimme nur schwer vorstellen, sie paßt einfach nicht richtig zum Charakter.

Kasumi Tendou

Kasumi Tendo

Man darf aber nicht vergessen, daß die japanischen Seiyuu (wegen der Popularität von Anime) vermutlich die besten der Welt sind und die meisten eine unglaublich flexible Stimme haben.

Wenn man sich nämlich die Liste von Inoue-sans anderen Rollen ansieht wird man (genügend Kenntnisse über Anime vorausgesetzt) mindestens eine große Überaschung erleben: dort findet sich auch die Herzkönigin aus "Miyuk-chan in Wonderland". Dieser Charakter ist nun aber so verschieden von Kasumi und Belldandy wie man es sich nur vorstellen kann, das nebenstehende Bild sagt alles ! Hier spricht dann Inoue-san auch sehr viel tiefer, lauter und (vor allem) agressiver.

Oujo-sama to oyoubi!

Die Herzkönigin

In "Nadia" spricht sie schließlich mit einer eher "normalen" Stimme, ich zweifle aber nicht daran, daß sie trotzdem ihre Bandbreite in den späteren Episoden voll einsetzt und so dabei mithilft, Elektra-chan zu dem interessanten und vielschichtigen Charakter zu machen, der sie ist.

Die deutsche Sprecherin von Elektra liefert auch eine beachtliche Leistung, es gelingt ihr sehr gut, den Charakter und die Gefühle Elektras herüberzubringen. Ihr Name ist Aleksandra Ludwig. Außer Elektra hat sie auch die Elfenkönigin in "Prinzessin Fantaghiro" und Porzelinchen in "Toy Story" gesprochen, sowie die Youma in einer der ersten Folgen von Sailor Moon (der mit der Radiostation).


Der Name

Elektra-chans eigentlicher Name ist Medina, wie man in der letzten Episode erfährt. Den Namen Elektra hat sie nur für ihren Kampf gegen Neu-Atlantis angenommen.

Die Geschichte von Elektra, der Prinzessin von Sparta stammt aus der griechischen Mythologie. Sie wurde von Homer in der Ilias am Rande erwähnt und später sowohl von Sophokles als auch von Euripides in Theaterstücken ausführlicher erzählt. Es gibt auch eine deutsche Oper "Elektra", komponiert von Richard Strauss, mit einem Libretto von Hugo von Hoffmannsthal. Sie wurde 1909 in Dresden uraufgeführt. Alle drei Werke sind auf meiner "Extras"-Seite zu finden.

Elektra ist die Tochter von Agamemnon und Klythemnestra, den Herrschern von Sparta. Während Agamemnon im Trojanischen Krieg kämpft, nimmt sich Klythemnestra einen Liebhaber und ermordet Agamemnon nach seiner Rückkehr. Dazu hat sie auch einen guten Grund, aber das würde zu weit führen (Stichwort: Iphigenie). Jedenfalls ist Elektra von da an nur noch von dem Gedanken getrieben, den Tod ihres Vaters zu rächen. Als ihr verschollener Bruder Orest zurückkehrt, können sie dies schließlich gemeinsam durchführen. Bei Euripides gehen die beiden anschließend ins Exil, Sophokles' Werk endet bevor das weitere Schicksal der Geschwister geklärt ist.

Offensichtlich bestehen hier keine genauen Parallelen. Was Medina dazu gebracht haben könnte, den Namen Elektra anzunehmen ist, daß sie wie diese von unbamherzigen Haß und dem Verlangen, Rache zu üben, getrieben ist. Allerdings ist sie davon nicht ganz so besessen wie die griechische Elektra.

Übrigens existiert in der Psychologie den Ausdruck "Elektra-Komplex", das ist ganz einfach die weibliche Form des Ödipus-Komplexes, also eine ungesund starke Fixierung einer Frau auf eine Vaterfigur. Das ist zwar bei Elektra-chan mit Nemo auch irgendwie der Fall, aber es ist halt doch noch ein bißchen komplizierter.

Eine Abbildung von
Medea auf einer griechischen Vase

"Medina" ist natürlich die heilige Stadt des Islam, in der der Prophet Mohammed begraben ist, jedoch läßt sich da keine Bedeutung für den Charakter Elektra/Medina herauslesen. Es könnte aber sein, daß "Medina" eine Verballhornung von "Medea" ist, also auch aus der griechischen Mythologie (und zwar ebenfalls von Euripides) stammt. Medea ist die Frau von Jason (dem mit den Argonauten, glaube ich). Als er sie wegen einer anderen Frau verliäßt reagiert sie indem sie so ziemlich jeden der damit zu tun hat umbringt, es handelt sich also um eine typische griechische Tragödie (Bis darauf daß Medea selbst am Ende nicht stirbt).

Alles in allem paßt dies aber garnicht mehr zum Charakter von Elektra/Medina in "Nadia", da Medea sogar noch einige Stufen verrückter als (die griechische) Elektra ist, während in "Nadia" ja der Name "Medina" zur ausgeglicheneren, ruhigeren Person gehört, die wir am Ende der Serie sehen. Entweder ist also die Vermutung falsch und es ist nicht wirklich "Medea" gemeint oder man hat den Namen bei Gainax einfach verwendet, ohne sich über die Bedeutung viele Gedanken zu machen. Ich vermute das erstere, da auch für japanische Ohren "Medea" und "Medina" leicht zu unterscheiden sind. Und ich habe aus zweiter Hand erfahren daß Nemo auch im Original "Medina" sagt.


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